“Verkehrschaos” in Löbtau? – Berechtigte Kritik oder Aktionismus?

CDU-Umfrage “Verkehrschaos” – Innenseite

Die CDU-Dresden West gibt sich gerade bürgernah und führt eine Umfrage per Briefkasten-Flyer zur Parksituation in Löbtau Nord und Süd durch. Unter dem Titel “Verkehrschaos in Löbtau – wie weiter?” werden zwei Lösungen des angeblichen Parkchaos vorgeschlagen.

  1. Ein Einbahnstraßensystem, welches Platz für Schräg- und Querparker machen soll.
  2. Ein Bewohnerparken, was das Parken nur noch für Löbtauer möglich machen soll.

Die erste Frage, die ich mir und meinem Umkreis gestellt habe, ist ob Löbtau ein “Verkehrschaos” hat. So recht will mir das niemand bestätigen. In der Hauptverkehrszeit ist viel los, es könnte für Fußgänger und Radfahrer deutlich entspannter sein, es gibt ein paar Unfallschwerpunkte, Raserei in den Abendstunden und regelmäßiges Ignorieren der Abbiegevorschriften. Aber sonst? Als Chaos würde ich das nicht bezeichnen.

Im ruhenden Verkehr (“Parkplätze”) gibt es Engpässe. Das ist richtig und – entschuldigung 😉 – auch gut so. Wenn der Parkdruck weg ist, wächst die Zahl der Autos. Angebot und Nachfrage funktionieren hier ungewollt bestens. Trotzdem kann man sich das ja mal genauer anschauen. Bisher ist meine Wahrnehmung, dass es abends in manchen Straßen alle Parkplätze belegt sind. Wenn wir aber Gäste mit Auto haben, finden diese immer in der Nähe einen Platz. In der Nähe sind für mich da 200m. Ganz so schlimm scheint mir es dann doch nicht zu sein.

Die Lösungsvorschläge der CDU halte ich für unrealistisch.

  1. Viele der vorgeschlagenen Straßen sind heute schon einspurig und könnten als Einbahnstraßen nicht enger werden (z.B. Bünaustraße). Schrägparken würde hier nicht gehen. Da der Gegenverkehr weg fällt, können die Autos schneller fahren und müssen ggf. Umwege auf sich nehmen. Für Radfahrer könnten diese engen Straßen vermutlich nicht freigegeben werden. Insgesamt wäre das ein großer Rückschritt.
  2. Anwohnerparken klingt verlockend. Vielleicht geht das, aber es scheint kompliziert einzuführen zu sein. Siehe aktuell in der Johannstadt. Tagsüber müssen natürlich Parkplätze für “Fremde” vorhanden sein, sonst können die verbliebenen Gewerbetreibenden ganz einpacken. Die Ausstellung der Anwohnerparkkarten ist gebührenpflichtig. Der Vorteil wäre, über die Gebühr könnte man wieder den Parkdruck etwas steuern.

Ich bin nach wie vor ein Fan von Stadtteilparkhäusern. Wieso ertüchtigt man nicht das Parkdeck der Löbtau Passage für einen solchen Zweck? 10 Minuten Fußweg kann man doch von Autofahrern verlangen, oder nicht?

Andere Ideen sind z.B. in der Diskussion auf nebenan.de zu finden. Vorgeschlagen wird hier z.B. Parklückenmarkierungen, damit nicht so viel unnötiger Platz pro Auto verbraucht wird. Und ansonsten ist der Tenor, die Attraktivität des Fuß-, Radverkehr und ÖPNV zu verbessern um ein Leben ohne Auto zu erleichtern. Vielleicht finden sich ein paar dieser Argumente später hier in den Kommentaren.

Insgesamt finde ich die CDU-Aktion gut gemeint, schlecht durchdacht und etwas populistisch.

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Grüner Stadtbezirksbeirat, Software-Entwickler und Linux-Administrator, Rad- und Bahnfahrer, Löbtauer seit 1998, Co-Sprecher der Löbtauer Runde

3 thoughts on ““Verkehrschaos” in Löbtau? – Berechtigte Kritik oder Aktionismus?

  1. Laut DNN-Artikel scheint die Lösung mit Einbahnstraßen und Parken in Schrägaufstellung bei den Rückmeldungen vorn zu liegen. Allerdings sprechen die puren Zahlen dagegen, wie ein kurzer Blick in die einschlägige Norm (Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs) zeigt. Hier ist die Sachlage übersichtlich verbildlicht:
    https://neuelandschaft.de/media/_processed_/3/1/csm_pv_Bienert79-07_602d490dbe.jpg
    Als Beispiel habe ich die Breite der Malterstraße vor meiner Wohnung ausgemessen. Sie beträgt 7,50m, genau nach Norm für zwei längs parkende Autos (jeweils 2m) und die zugehörige Fahrspur (3,50m). Bei dieser Straßenbreite wäre höchstens Schrägparken bei 50gon (=45°) möglich. In diesem Fall beträgt der benötigte Abschnitt in Straßenverlauf 3,54m pro Fahrzeug, also 7,08m für zwei Fahrzeuge. Auf dieser Länge hat in Längsaufstellung locker ein Fahrzeug links und rechts der Fahrbahn Platz: Die Norm weist zwischen 5,70m und 6,70m aus, je nachdem, ob vorwärts oder rückwärts eingeparkt werden soll.

    Fazit: Die angedachte Lösung bringt zumindest auf der Malterstraße WENIGER Parkplätze. Und über eine Verbreiterung der Straße zu Lasten der Fußwege mag ich nicht nachdenken – die sind schon nicht gerade breit.

  2. Ich finde, die Aktion des CDU-Ortsverbandes greift zu kurz. In Löbtau zu wohnen, ist attraktiv – auch wegen dieser städtebaulichen Kompaktheit und dem ausgedehnten Nebenstraßennetz. Wie Wohnsiedlungen aussehen, die zu einer Zeit entstanden, als Automobilität für jedermann in Mode war (wie in den 90er Jahren), kann man sich in verschiedenen Vororten anschauen. Einen “attraktiven ÖPNV” muss man dort anders definieren. Nur wo viele Menschen auf begrenztem Raum leben, kann sich ein breites Angebot an Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen, also urbanes Leben entwickeln. Eine Stadt lebt vom Spannungsfeld zwischen dichter Bebauung und Freiräumen oder Parks. Mittels Parkbauten wie Tiefgaragen lässt sich dem hohen Flächenbedarf für Pkw-Stellflächen auch in einem solchen Umfeld nachkommen, aber das hat seinen Preis. Dass eine größere Wohnfläche höhere Kosten mit sich bringt, ist allgemein bekannt. Welche Kosten den Bauherren für die Schaffung von Parkraum entstehen, steht weniger im Bewusstsein, denn die Kosten werden leider häufig unabhängig von der Nutzung verteilt: Das Parken im öffentlichen Straßenraum fällt unter den Gemeingebrauch und ist in der Regel unentgeltlich (vgl. § 14 SächsStrG; Einschränkungen des ruhenden Verkehrs sind nur nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO zulässig). Sofern Vermieter beim Bau für jede Wohnung einen Pkw-Stellplatz vorgesehen haben, werden Wohnraum und Stellplatz in der Regel zusammen vermietet (auch entsprechende Vorschriften in den Bauordnungen oder Stellplatzsatzungen tragen dazu bei). Eine Weitervermietung ist für Mieter ohne Pkw eher schwierig. Beim Einkaufen werden Parkgebühren, sofern diese überhaupt erhoben werden, meist erstattet. Zudem sind bei vielen Einkaufszentren die Parkhäuser an normalen Einkaufstagen nur mäßig ausgelastet – die Stellplatzkapazitäten orientieren sich offenbar an den Nachfragespitzen. Um den ruhenden Verkehr zu ordnen und die Kosten ein Stück weit ins Bewusstsein zu rufen, sollte Parkraum deshalb einen Preis haben. Wer bereit ist, für die Investitions- und Fahrtkosten für sein Auto aufzukommen, muss fairerweise auch für den Stellplatz geradestehen. Und um ein Argument gleich vorwegzunehmen: Diese Kosten sind genausowenig durch Kfz- oder Mineralölsteuer abgegolten, wie der Museumseintritt durch eine kommunale Steuer. Steuern stützen den öffentlichen Haushalt (dienen dem Gemeinwesen) und sind keine Gebühren (wie eine Straßenmaut).

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